
Wir kannten nicht wirklich den Unterschied zwischen Arm und Reich, denn wir alle waren eine eingeschweißte Clique und hatten so manche Flausen im Kopf. Als wir älter wurden, verlagerten sich unsere Zusammenkünfte im Wald und in der Natur. Dort gingen wir auf Entdeckungspfad, bauten „Buden“ beobachteten den Fuchsbau, wie die kleinen Füchse miteinander spielten.
Wir Mädchen pflückten Blumen und banden Kränze daraus oder brachten dicke Blumensträuße unseren Müttern mit nach Hause.
Zum Leidweisen meiner Mutter, angelten wir/ich Kaulquappen aus dem Weiher und die Einmachgläser meiner Mutter wurden kurzerhand umfunktioniert zu einem Aquarium. Getoppt wurde das Ganze, indem ich mit einer Ringelnatter um dem Arm nach Hause kam und meine Mutter schreiend das Haus verlies und nach meinem Vater rief. Was ich äußerst merkwürdig fand, wo ich doch so tolle Entdeckungsreisen mit meinen Gleichgesinnten unternommen hatte! Und so eine Ringelnatter ja absolut harmlos war. Na ja, ich wollte ja nicht, dass meine Mutter einen Herzschlag bekommt, also versuchte ich, meine Streifzüge und die dabei neuen Erkundungen, ihr nicht mehr zu zeigen. Zudem war mir der Stress mit den hysterischen Anfällen meiner Mutter eh’ zu viel.
Gesagt getan!
Viele aus unserer Clique kamen eher aus „normalen bis ärmeren“ Elternhäusern, aber es gab auch einige, die schon richtiges „Taschengeld“ bekommen haben und das in größeren Summen. Da wir aber sehr einfallsreich waren, haben wir, insbesondere ich, dies abzuändern versucht.
Wie gesagt, die Natur war so unser „Abenteuerspielplatz“ und es gab da auch Kreuzottern und wo die zu finden waren, war uns wohl bekannt! Der Apotheker in unserem Dorf mochte mich sehr, denn ich brachte ihm immer jede Menge Blüten von der Taubnesseln und für ein Glas bekam ich damals 10 Pfennig. Ihm erzählte ich so einiges, eben auch was ich so entdeckt hatte. Für die verschiedenen Kräuter bekam ich hier und da eben ein paar Pfennige, aber für eine Kreuzotter bekam ich 5 DM und das war für mich der Reichtum pur!
Und was haben wir Kinder dann getan? Wollten ja schließlich auch etwas Geld haben, wir haben die netten possierlichen Tierchen gefangen und dem Apotheker gebracht. Der hat wohl aus dem Gift eine Medizin hergestellt.
Das alles war natürlich streng geheim, wir wollten ja nicht unsere Eltern beunruhigen!
Wobei ich auch ganz vernünftige „Geldverdienerjobs“ hatte, wie z. B. der alten Nachbarin zum Einkaufen gehen, oder schon mit 11 Jahren die Babys in der Nachbarschaft hüten, dass mir den Namen „Nanny“ einbrachte.
Langsam wurden wir pflüge und die Hormone erwachten in uns. Der Blick auf das andere Geschlecht änderte sich nun. War schon alles recht merkwürdig, aber auch prickelnd! Ich entdeckte für mich den Stephan und er entdeckte natürlich mich! Stephan war in der glücklichen Lage aus einem sehr reichen Elternhaus zu kommen. Jedenfalls war das für mich damals die Sichtweise. Er hatte ein großes Kinderzimmer, es gab in der Villa einen Partyraum, für den Dreck und Schmutz den wir machten, war die Haushälterin zuständig. Das fand ich schon wirklich cool! Bei mir zuhause war ich für meinen Dreck selber zuständig und für den Rest an Dreck was so anfiel, meine Mutter.
Stephan war also mein 1. Freund, lach, wir haben die „wilden“ Partys gefeiert, d. h. immer ein Auge hatten dann doch noch die Eltern von Stephan darauf. Wobei die für meine Begriffe wirklich sehr tolerant waren. Mein Vater einschließlich meiner Mutter hätten bei unserem TUN zum Rundumschlag ausgeholt.
Stephans Mutter war eine ganz liebe nette Frau und sah es sehr gerne, dass wir nun „befreundet“ waren. Denn Stephan war wohl langsam dabei, aus der „Spur“ zu kommen. Nie wurden ihm wirkliche Grenzen aufgezeigt und so war er wohl in dem Glauben, das Leben sei ein Ponyhof! Jedenfalls hat er sich oft so aufgeführt, leider. Wenn ich mit ihm alleine war, konnte er so ein lieber netter Junge sein, so ganz anders. Aber in der Clique hat er immer versucht sich zu beweisen, sich darzustellen.
Der Prozess war erst sehr langsam, wir/ich haben es nicht wirklich bemerkt, waren ja auch noch viel zu unerfahren. Der Alkohol wurde bei ihm zum Thema, es folgten wohl Exzesse und langsam rutsche er ab.
Unsere Clique hatte sich längst in der „Urform“ wie wir einst zusammen waren als Kinder, geändert. Ich war schon längst im Turnverein, ging dreimal in der Woche zum Turnen und das jeweils für 3 Stunden, hatte dort meine Freunde gefunden. Der Ehrgeiz packte mich und ich habe so lange geübt, bis der Spagat auf dem Schwebebalken klappte, oder ich lies mich in einen Trainingsgürtel schnallen, um den „Flickflack“ zu üben, erst wenn es klappte, hörte ich auf.
Damit ich ein gewisse Grazie beim Balancieren auf dem Schwebebalken oder auch am Barren hatte, ging ich zusätzlich noch ins Ballett. So war ich ziemlich „aufgeräumt“ von der Straße, zumindest mal ein paar Jahre lang. Was sich dann aber auch wieder gehörig änderte und ich zu den Ausläufern der „Wilden 68-zigern“ gehörte. Aber das steht auf einem anderen Blatt, lach.
Stephan hatte ich so völlig aus dem Auge verloren und hier und da wurde von ihm erzählt. Seine Eltern hatten ihn wohl in ein Internat gesteckt, d. h. er hatte dann wohl im laufe der Zeit viele Internate besucht, die er immer wieder verlassen musste, weil er so seine „Aussetzer“ hatte. Ob er je einen Abschluss geschafft hatte, ist mir nicht bekannt. In dem Familienunternehmen bekam er jedenfalls eine Anstellung, aber auch das erwies sich wohl als recht schwierig.
Stephan heiratete wohl, wurde Vater und seine Exzess wurden immer schlimmer, so wurde von ihm berichtet. Ich war zu diesem Zeitpunkt schon längst in München und hatte meiner alten Heimat den Rücken gekehrt.
Wenn ich so hin und wieder meine Eltern und die alte Heimat besuchte, suchte ich die alten Plätze auf, wo so viele Erinnerungen begraben lagen. Traf mich mit alten Freunden aus der Clique und es war immer so, als sei die Zeit nie vergangen, so eine Vertrautheit, als sei es gestern gewesen, als ich sie das letzte mal gesehen hatte. Das gab mir schon ein sehr schönes Gefühl. Auch die älteren Leute erkannten mich auf der Straße und sprachen mich an, freuten sich, mich mal wieder zu sehen.
Stephan, so erzählte man mir, war verschollen. Er hatte viele Entziehungskuren hinter sich, die der wohl z. T. abgebrochen hatte. Immer wieder war er für Wochen oder Monate einfach mal verschwunden und keiner wusste, wo er abgeblieben war und eines Tages kam er nicht mehr, d. h. nie mehr zurück.
Es stimmte schon traurig, so etwas zu hören, denn mir war ja auch die andere Seite von Stephan bekannt und ich wusste um seine Seele.
So besuchte ich seine Mutter, sie war nun alleine in einem großen Haus, eine ältere Lady, an der die Spur der Zeit genagt hatte. Dennoch war sie eine attraktive Dame, doch all die familiären Tragödien hatten sie schon sehr melancholisch gemacht. Um so mehr war sie hoch erfreut, mich zu sehen und wir haben über die „alten Zeiten“ geplaudert.
Ein strahlen kam wieder in ihre Augen, die Erinnerung an den verloren Sohn – Stephan – sicherlich hätte sie alles Geld dafür gegeben, ihn jetzt, da sie alt geworden war, in die Arme zu schließen.
Einige male besuchte ich sie, wenn ich in der Heimat war und jedes mal lebte sie wieder auf, obwohl eine schlimme Krankheit sie befallen hatte und letztlich hat diese Krankheit sie besiegt. Die Mutter meines Freundes Stephan, gab es nicht mehr, sie ist auf ihre letzte Reise gegangen, um ihren verloren Sohn zu finden. Und da bin ich mir sicher, sie hat ihn gefunden.
Sie hat ihren Frieden gefunden, den sie hier auf Erden verloren hatte. Die leise geschlossene Türe im Hier, eröffnete ihr ein Himmelreich.
In Erinnerung an Stephan. „Elvis Presley - In The Ghetto“
Text: Marianne Langenbach
Foto: Marianne Langenbach
Terminvereinbarung:
Telefon: 089 36006495
Mobil: 0172 8221625
eMail: info@ml-hypnose.de
Home: www.ml-hypnose.de